Eine einfache Methode zur Unternehmensbewertung

Du fragst dich, was der angemessene Wert einer Aktie ist?

 

Hier lernst du eine Methode kennen, wie du ganz einfach den Wert deines Wunschunternehmens bestimmen kannst – ohne allzu viel Finanzmathematik.

 

Du hast eine überzeugende Investmentphilosophie (Anlagestrategie),  einen konkreten Plan in welche Länder und Branchen du investieren möchtest (Diversifizierung) und hast Unternehmen gefunden, deren Fundamentaldaten dich überzeugen, deren Geschäftsmodell du verstehst und mit denen du dich identifizierst (Aktienauswahl) und möchtest nun endlich Aktien kaufen?

 

Das wichtigste vorweg:

 

Es ist nicht möglich, den wahren Unternehmenswert genau und unfehlbar zu bestimmen. Wir erhalten lediglich eine Annäherung. Grund sind die vielen unsicheren Annahmen über die Zukunft.

 

Als langfristiger Investor wollen wir ein Unternehmen kaufen und möglichst für immer halten. Also interessiert uns, wie viel Ertrag wir in dieser Zeit, also bis in alle Ewigkeit erwarten können.

 

Es interessiert uns also die Höhe der zukünftig zu erwartenden Zahlungsströme.

 

> Die dafür geeignete Methode ist das Discounted Cashflow-Modell.

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Unternehmensbewertung mit der Discounted Cashflow – Methode

> Unternehmenswert = Wert des Eigenkapitals + Terminal Value

Da ein Euro heute mehr wert ist als ein Euro in zehn Jahren, müssen alle erwarteten Zahlungsströme abgezinst (diskontiert) werden.

 

Je weiter ein Zahlungsstrom in der Zukunft liegt, desto weniger ist er heute wert.

 

Der Wert des Eigenkapitals ergibt sich aus dem diskontierten Cash-Flow der nächsten 10 Jahre.

 

Anschließend wird der sogenannte Terminal Value addiert – unter Berücksichtigung der ewigen Rente – und zum Eigenkapital addiert.

 

> Als Summe ergibt sich der Unternehmenswert!

 

Schauen wir uns zunächst an, welche Daten du für die Berechnung des Unternehmenswertes brauchst:

  • Die Eigenkapitalkosten, bestehend aus dem risikofreien Zins und dem fairen KGV
  • Die Ewige Rente
  • Das erwartete Umsatzwachstum
  • Die Owner Earnings (Free-Cashflow) im aktuellen Jahr

Doch was bedeuten diese Zahlen im Detail?


Eigenkapitalkosten in der Unternehmensbewertung: Was ist der risikofreie Zins und was das faire KGV?

Die zukünftigen Zahlungsströme werden mit den sogenannten Eigenkapitalkosten abgezinst.

 

Die Eigenkapitalkosten sind unser Diskontierungsfaktor (auch Abzinsungsrate).

 

Sie bestehen aus zwei Teilen: Dem risikofreien Zinssatz und der unternehmensspezifischen Risikoprämie.

 

Eigenkapitalkosten = risikofrier Zins + Risikoprämie

 

Schauen wir uns die beiden Teile genauer an:

 

Was ist der risikofreie Zins?

 

Als risikofreier Zins wird häufig die Rendite von 10-jährigen Staatsanleihen, also beispielsweise die von Deutschland oder den USA, bezeichnet.

 

Der folgende Plot zeigt die Entwicklung der Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen:

Rendite US-Staatsanleihen in der Unternehmensbewertung

Es wird also postuliert, dass du dein Geld „risikolos“ zu ca. 2,05 % (Stand Juli 2019) in 10-jährige US-Staatsanleihen anlegen könntest.

 

In Niedrigzinsphasen ist daher tatsächlich der Wert von Unternehmen höher als in Hochzinsphasen.

 

Der risikofreie Zins schwankt etwas. Daher solltest du für den risikofreien Zins der nächsten zehn Jahre, den Durchschnitt der letzten zehn Jahre heranziehen.

Benutzt du stattdessen, den niedrigen Zinssatz aus der Niedrigzinsphase 2015-2018, läufst du Gefahr, den Unternehmenswert zu überschätzen.

 

Und: Den Unternehmenswert zu unterschätzen ist nicht weiter schlimm, ihn zu überschätzen aber schon!

 

Legst du dein Geld nicht risikolos an, also zum Beispiel in Aktien, solltest du einen Risikoaufschlag fordern.

 

Wie hoch sollte diese Risikoprämie sein?


Was ist der unternehmensspezifische Risikoaufschlag?

Für den Risikoaufschlag wird das Reziproke des fairen Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) ohne Wachstumskomponente benutzt.

Risikoaufschlag = 1 / Faires KGV*

*Ohne Wachstumskomponente

 

Je besser ein Unternehmen aufgestellt ist, desto höher ist sein faires KGV und je geringer ist das Risiko und damit die Risikoprämie.

 

Wie können wir nun das faire KGV* berechnen?

 

Zum Sockel-KGV von 8 (1/8 entspricht der am Aktienmarkt im Mittel geforderten Eigenkapitalrendite) werden spezifische Aufschläge addiert.

Kriterium Berechnung Punkte
Sockel-KGV   8
     
Finanzielle Stabilität Eigenkapitalquote [%] * 1/40, max. 2 0 - 2
Marktposition EBIT-Marge [%] * 1/6, max. 3 0 - 3
Rentabilität Eigenkapitalrendite [%] * 1/10, max. 2,5 0 - 2,5
Wachstum Gewinnwachstum [%] * 1/4, max. 6 0 - 6
Individualität

Laufende Verträge

0 - 0,5
 

Starke Marken und lange Tradition

0 - 0,5
 

Übernahmekandidat

0 - 0,5
 

Hohe Bargeld-Reserven

0 - 0,5
     
Summe   8 - 23,5

Herausragende Unternehmen mit starker Merkstellung rechtfertigen demnach ein hohes KGV. Qualität hat eben ihren Preis.

 

Das ist auch der Grund, warum du dich bei der Aktiensuche nicht auf das KGV festlegen solltest.

 

> Vergleicht man zwei Unternehmen und entschiedet sich aufgrund des niedrigeren KGVs für das günstigere, kauft man eben wahrscheinlich auch das schlechtere.

 

Das faire KGV ist ein Qualitätsmerkmal. Wohlgemerkt: Das faire KGV, nicht das aktuelle KGV. Das kann mitunter stark vom fairen KGV abweichen. Wert ist eben nicht gleich Preis!

 

> Das prognostizierte faire KGV für unser Beispiel, einem dänischen Pharmahersteller, beträgt 20.

 

Als nächstes brauchen wir die Eigenkapitalkosten.


Die Eigenkapitalkosten berechnen sich wie folgt:

Eigenkapitalkosten = Risikofrier Zins + 1 / Faires KGV*

 

* Beachte: Da Wachstum nicht unbedingt ein Sicherheitsfaktor ist, wird die Wachstumskomponente im fairen KGV zur Berechnung der Eigenkapitalkosten nicht berücksichtigt.

 

Der folgende Plot zeigt die Entwicklung der Eigenkapitalkosten eines dänischen Pharmazie-Unternehmens:

Eigenkapitalkosten in der Unternehmensbewertung

> Die leeren Balken zeigen die prognostizierten Eigenkapitalkosten von ca. 9,1 % für die kommenden Jahre.

 

Je sicherer ein Unternehmen, desto höher ist das faire KGV und desto geringer sind die Eigenkapitalkosten.

 

Aber: Selbst für die sicherste alle Firmen solltest du Eigenkapitalkosten von mindestens 7% veranschlagen.

 

Und: Die Eigenkapitalkosten sollten immer über den Fremdkapitalkosten liegen, da Gläubiger vorrangig gegenüber Aktionären behandelt werden.


Was ist die ewige Rente in der Unternehmensbewertung?

Ewige Rente - hört sich super an! Aber was ist damit gemeint?

 

Die ewige Rente bezeichnet das ewige Wachstum, also das Wachstum, was die Firma in vielen Jahren aufweisen könnte, wenn alle Märkte erschlossen sein werden.

 

Für ein Unternehmen aus der Gesundheitsbranche kann zum Beispiel angenommen werden, dass es analog zu Bevölkerungsentwicklung wächst.

 

> Da die Gesellschaft immer älter wird, und sich die Produkte unseres Beispielunternehmens primär an älter Menschen richten, können wir ein ewiges Wachstum von 2 % annehmen.

 

Langfristig sollte sich also das Wachstum dem Markt beziehungsweise der Inflation oder eben der ewigen Rente angleichen.


Wie bestimme ich das Umsatzwachstum für die Unternehmensbewertung?

Da die Bestimmung der Wachstumsrate zwischen zwei einzelnen Zeitpunkten sehr fehlerbehaftet ist, wird die Steigung der Regressionsgeraden in der logarithmischen Auftragung berechnet.

Umsatzwachstum log in der Unternehmensbewertung

> In unserem Beispiel betrug das Umsatzwachstum der letzten Jahre demnach ca. 13,4 % pro Jahr.


Wie berechnen sich nun die aktuellen Owner Earnings (OE) in der Unternehmensbewertung?

 Die aktuellen Owner Earnings (OE) berechnen sich aus dem Umsatz wie folgt:

 

OE = Umsatz * (EBIT-Marge * (1 Steuerquote) (1 1/(1+Umsatzwachstum) * WC-Anteil)

 

Der Working-Capital-Anteil (WC-Anteil) am Umsatz wurde mit 10 % angenommen. Die Entwicklung der EBIT-Marge und der Steuerquote unseres Beispielunternehmens aus Dänemark zeigen die nächsten beiden Plots.

EBIT-Marge in der Unternehmensbewertung

Die Steuerquote kann mit gut 20 % geschätzt werden.

Steuerquote in der Unternehmensbewertung

Mit den gegebenen Daten ergeben sich folgende Owner Earnings:

Owner Earnings in der Unternehmensbewertung

Für die nächsten Jahre sollten sich somit die zu erwartenden Owner Earnings recht gut prognostizieren lassen.


Nun aber konkret – was ist das Unternehmen wert?

Der Unternehmenswert ist die Summe aus dem Wert des Eigenkapitals und dem Terminal Value.

 

Widmen wir uns zunächst dem Wert des Eigenkapitals:

 

Der Wert des Eigenkapitals berechnet sich aus den diskontierten Kapitalflüssen (Cash-Flows) der nächsten 10 Jahre.

 

Als Abzinsungsrate im Discounted-Cash-Flow-Modell dienen die Eigenkapitalkosten von ca. 9,1 %.

Wert des Eigenkapitals in der Unternehmenswert

> Für unser Beispiel, den dänischen Pharmaspezialisten, ergibt sich ein Eigenkapitalwert pro Aktie von ca. 264 DNK.

 

Das bedeutet, wir gehen davon aus, dass das Unternehmen zunächst 10 Jahre mit seinem unternehmensspezifischen Umsatzwachstum und dann mit der ewigen Rente wächst.

 

Zu dem Wert des Eigenkapitals wird daher anschließend der sogenannte Terminal Value (TV) addiert – unter Berücksichtigung der ewigen Rente.

Terminal Value in der Unternehmenswert

> In unserem Beispiel beträgt der Terminal Value ca. 540 DNK.

 

Der Unternehmenswert berechnet sich schließlich als Summe aus dem Wert des Eigenkapitals und des Terminal Values.

 

Unternehmenswert = Wert des Eigenkapitals + Terminal Value

 

> Demnach wäre das der dänische Pharmahersteller im ca. 804 DNK wert.

 

Was sind nun andere Marktteilnehmer bereit für eine Aktie dieses Unternehmens zu zahlen?

Unternehmensbewertung und Kursentwicklung

Die Linie zeigt den von uns berechneten Unternehmenswert, die Punkte sind die Jahresendkurse des Pharmazie-Unternehmens.

 

Der Plot zeigt, dass der von uns berechnete Unternehmenswert fast immer über dem am Markt gezahlten Preis lag.

 

Woran liegt das?

 

Nun, wir haben das Umsatzwachstum über die nächsten 10 Jahre fortgeschrieben. Das ist sehr optimistisch.

 

Was passiert, wenn wir sehr pessimistisch sind und davon ausgingen, dass unser Besipielunternehmen nur mit der Ewigen Renten von 3 % wachsen würde?

 

> Damit ergibt sich der minimalen Unternehmenswert.

 

Dafür gibt es eine sehr einfache Formel:

 

Minimaler Unternehmenswert = Owner Earnings / (EK-Kosten – Ewige Rente)

 

Zeichnen wir eine weitere Linie für den minimalen Unternehmenswert in den Plot von oben ein, ergibt sich folgendes Bild:

Minimale Unternehmensbewertung und Kursentwicklung

Man sieht sehr schön, dass der Preis am Markt in der Regel zwischen der optimistischsten und der pessimistischsten Schätzung hin und her pendelt.

 

Da wir uns schon in der Aktienauswahl entschieden haben, Aktien dieses Unternehmens zu erwerben, können wir nun die letzte Frage beantworten:

 

Wann sollten wir zu schlagen?


Der richtige Zeitpunkt zum Aktienkauf in der Unternehmensbewertung.

> Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet:

  • Kaufe, wenn der Kurs niedriger ist als der minimale Unternehmenswert.
  • Verkaufe, wenn der Kurs höher ist als der maximale Unternehmenswert.

Das bedeutet auch, dass wir sehr selten kaufen oder verkaufen. Am besten verkaufen wir nie und profitieren so von einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung.

 

Für unsere Beispielunternehmen, den dänischen Pharmazie-Spezialisten, hat sich übrigens vor einigen Jahren eine Kaufgelegenheit ergeben als der Kurs kurzzeitig unter die blaue Linie gefallen war.

 

In meinen wikifolios wurde nach einer sehr konservativen Anfangszeit mit hohen Cash-Quoten - weil die oben beschriebenen Kaufgelegeneiten eben recht selten sind - der Mittelwert zischen minimaler und maximaler Unternehmenswert als fairer Wert definiert.

Sollte der Preis der Aktie diesem fairen Wert entsprechen, wird das Unternehmen mit 3,3 % im Portfolio gewichtet werden und bei höheren Kursen entsprechend geringer.

Ein Rebalancing - also eine Anpassung der Gewichtung - soll nicht erfolgen. Eine ausführliche Analyse hat ergeben, dass damit die herrausrageden Unternehmen zu Gunsten der mittelmäßigen verkauft würden. Auch hier ist es also ratsam, die Füße still zu halten.

 

> Eine Überprüfung der Portfolios soll monatlich am 1. Kalendertag erfolgen.


Eine kurze Zusammenfassung der Unternehmensbewertung

Die Unternehmensbewertung erfolgt durch die Höhe der erwarteten Zahlungsströme mit dem Discounted Cashflow-Modell.

 

Der Unternehmenswert ergibt sich aus dem

  • Wert des Eigenkapitals - den diskontierten Zahlungsströme der nächsten Jahre
  • Terminal Value - unter Berücksichtigung der ewigen Rente

Um zu fairen Preisen zu handeln, sind eindeutige Regeln für das Investieren notwendig:

  • Gekauft werden soll eine Aktie, wenn der Kurs niedriger ist als der minimale Unternehmenswert – berechnet mit der Ewigen Rente als Wachstum
  • Verkauft werden soll eine Aktie, wenn der Kurs höher ist als der Unternehmenswert  berechnet mit einer Fortschreibung des bisherigen Unternehmenswachstums

Eine Überprüfung der Portfolios soll monatlich am 1. Kalendertag erfolgen.

 

Insgesamt sollen die Aktien wenig gehandelt werden. Ein Handeln der Aktien kann erfolgen, …

  • … um die Dividende direkt zu reinvestieren. Aktien können vor der Dividendenausschüttung verkauft und anschließend ex-dividend mit dem Dividendenabschlag zurückgekauft werden.
  • … um die Gewichtung eines Unternehmens auf 3,3 % anzupassen, sollte sie unter 2,5 % gefallen oder über 5,0 % gestiegen sein.

So nun aber genug zur Unternehmensbewertung.

 

Als nächstes lernst du einige fertig konzipierte Aktienportfolios kennen. Da sollte auch für dich das Richtige dabei sein!

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wikifolios in diesem Artikel:

Amur MaackiaAngels` ShareGaea`s Cradle

Old Tjikko

Huon Pine

Comfort Maple